Porträt von Prof. Dr. Monica Juneja

»Grundlegend für das disziplinübergreifende Forschungsgebiet der Transkulturellen Studien ist das Konzept der Transkulturation – oder in seiner germanisierten Variante Transkulturalität – wobei ich den ersten Begriff bevorzuge, denn er lenkt unsere Aufmerksamkeit auf einen Prozess statt auf eine Essenz. Der Begriff beleuchtet Transformationsprozesse, die sich in Begegnungen und den daraus folgenden langzeitigen Beziehungen zwischen Regionen und Kulturen entfalten. Solche Prozesse sind keine alleinige Eigenschaft unserer globalisierten Gegenwart, sondern lassen sich in allen Epochen untersuchen, lange bevor die Entstehung von globalen Kapitalmärkten und weltumspannenden Datennetzen die moderne Welt geformt hat. Transkulturation regt uns an, unser Verständnis von Kultur neu zu denken, der Begriff sensibilisiert uns dafür, dass wir die Konstituierung des Kulturbegriffs hinterfragen.«

Dank und Vortrag Prof. Dr. Monica Juneja →

Prof. Monica Juneja

In ihrer Entwicklung einer Theorie der Transkulturation geht Monica Juneja auf die Frage ein: In welcher Weise hat die Verschränkung von Nationsbildung sowie einer „nationalen Imagination“ (Benedict Anderson) mit der Formierung geisteswissenschaftlicher Disziplinen die grundlegenden Prämissen und Wertestrukturen unserer Fächer konstituiert? Die Transkulturellen Studien bilden in Junejas Forschung eine neue Ontologie der Kultur, deren kritisches Potential uns einen transformierenden Forschungsansatz liefert, der die Praxis geistes- und sozialwissenschaftlicher Disziplinen als auch die der benachbarten Kulturinstitutionen stets neu reflektiert. Als Ausgangspunkt einer transkulturell perspektivierten Kunstgeschichte nimmt ihr mit der Opus Magnum-Förderung ausgezeichnetes Buch Can Art History be Made Global? Meditations from the Periphery (2023) das Erzählen aus der Peripherie‘ in den Blick. Die Peripherie steht hier nicht ausschließlich für einen bloßen Standort, sondern wird als kritisches Denkinstrument verstanden, um gängige Gewissheiten sowie kanonische Wissensbestände unter analytischen Druck zu setzen sowie die Neujustierung theoretischer Paradigmen anzustoßen. Um die Kraft des binären Begriffspaares Zentrum und Peripherie zu brechen, argumentiert Junejas Werk stets dafür, beide, das selbstdesignierte Zentrum sowie die als peripher erklärten Regionen der Welt, in ihrer Verflochtenheit zu erforschen, aus der sich die Theoriebildung als transkultureller Prozess entfalten kann.

Monica Juneja hat seit 2009 an der Universität Heidelberg den im deutschsprachigen Hochschulraum einzigen Lehrstuhl für Globale Kunstgeschichte inne. Sie war zuvor Professorin and der Universität Delhi, an der sie auch ihr Studium absolvierte. Promoviert wurde sie an der Ecole des Hautes Etudes en Sciences Sociales in Paris. Gastprofessuren führten sie zu den Universitäten Wien, Hannover, Zürich sowie der Emory University in Atlanta. Unter den Förderungen und Auszeichnungen, die sie während ihrer Laufbahn erhielt, zählen Fellowships der Maison des Sciences de l’Homme, der Alexander von Humboldt-Stiftung, der Volkswagen- Stiftung, des Forums Transregionaler Studien, sowie des Getty Research Institute. 2014 hielt sie die prestigeträchtigen Heinrich-Wölfflin Vorlesungen an der Universität Zürich.

Zu den internationalen Beiräten, an denen Monica Juneja tätig ist, gehören: Exzellenzcluster Eurasian Transformations der Universität Wien, Walter Benjamin-Kolleg, Universität Bern, Tate Hyundai Research Centre an der Tate Modern London, sowie der Förderbeirat des Deutschen Zentrum für Kulturgutverluste, um die Provenienz von Objekten aus kolonialen Kontexten zu untersuchen. Juneja gibt die Buchreihe Visual and Media Histories (Routledge) heraus, sie ist Mitherausgeberin der Reihen Ding, Materialität, Geschichte (Brill), Ästhetische Praxis (Brill), Heidelberg Studies on Transculturality (Heidelberg University Publishing) sowie der Zeitschriften History of Humanities (Chicago) und The Journal of Transcultural Studies (Heidelberg). Nach einer bewegten transkulturellen Biografie hat Monica Juneja Deutschland zu ihrer vertrauten Wahlheimat gemacht.

Dank und Vortrag

Laudatio

Grußworte

Dekanin Prof. Dr. Ulli Seegers überreicht der Preisträgerin Prof. Dr. Monica Juneja den Meyer-Struckmann_Preis.

Mitglieder der Jury 2023

  • Prof. Dr. Ulli Seegers, Dekanin der Philosophischen Fakultät

  • Prof. Dr. Dres. h.c. Gert Kaiser, Vorsitzender der Meyer-Struckmann-Stiftung

  • Prof. Dr. Stefan Marschall, Prorektor für Internationales und Wissenschaftskommunikation

  • Prof. Dr. Bruno Bleckmann, Altdekan

  • Prof. Dr. Ulrich von Alemann, Altdekan

  • Prof. Dr. Achim Landwehr, Altdekan

  • Prof. Dr. Dirk Matejovski, Beauftragter der Stiftung

  • Prof. Dr. Eva-Maria Troelenberg, Institut für Kunstgeschichte

  • Prof. Dr. Birgit Neumann, Institut für Anglistik und Amerikanistik

  • Prof. Dr. Stefanie Michels, Institut für Geschichtswissenschaften

Begründung der Jury

In diesem Jahr wurde der Meyer-Struckmann-Preis für herausragende Arbeiten im Themenfeld Transkulturelle Studien vergeben. Es werden Forschungsleistungen ausgezeichnet, die über Fachgrenzen hinauswirken.

Die Preisträgerin Prof. Dr. Monica Juneja geht mit ihrer richtungsweisenden Theorie der Transkulturation auf die Frage ein, in welcher Weise die Verschränkung von Nationenbildung sowie einer »nationalen Imagination« (Benedict Anderson) mit der Formierung geisteswissenschaftlicher Disziplinen die grundlegenden Prämissen und Wertstrukturen der Fächer konstituiert hat. Die Transkulturellen Studien bilden in Junejas Forschung eine neue Ontologie der Kultur, deren kritisches Potenzial einen transformierenden Forschungsansatz liefert, der die Praxis geistes- und sozialwissenschaftlicher Disziplinen als auch die der benachbarten Kulturinstitutionen stets neu reflektiert.

Ausgewählte Publikationen

  • Can Art History be Made Global? Meditations from the Periphery (Berlin: De Gruyter 2023)

  • Motherland. Pushpamala N.’s Woman and Nation, (New Delhi: Roli Books 2022), Hg. mit Sumathi Ramaswamy

  • “Reading culture through art - Jacob Burckhardt in the twenty first century”, in: Burckhardt. Renaissance, eds. Andreas Beyer, Susanna Burghartz and Lucas Burkart, (Göttingen: Wallstein Verlag 2021): 174-190.

  • “Transkulturalität verstehen. Monica Juneja und Christian Kravagna im Gespräch“, in:Transkulturalität/Interkulturalität: Konzepte, Methoden, Anwendungen, Hg. Martina Engelbrecht, Gabriela Ociepa, (Berlin/Bern/Wien: Peter Lang 2021): 59-74.

  • „Universal Principles and Intransigent Contexts – Wölfflinian Aesthetics and the History of South Asian Art“, in: The Global Reception of Heinrich Wölfflin’s Principles of Art History (1915-2015), Hg. Evonne Levy and Tristan Weddigen, (Washington DC: CASVA/ Yale University Press 2020): 165-178.

  • EurAsian Matters: China, Europe and the Transcultural Object (Heidelberg, Springer 2018), Hg. mit Anna Grasskamp.

  • ‘A very civil idea...’ Art History, Transculturation and World-Making – with and beyond the Nation”, Zeitschrift für Kunstgeschichte, Vol. 81 (4), 2018: 461-485.

  • “Alternative, Peripheral or Cosmopolitan? Modernism as a Global Process”, in: “Global Art History”. Transkulturelle Verortungen von Kunst und Kunstwissenschaft, Hg. Julia Allerstorfer and Monika Leisch-Kiesl, (Bielefeld: Transcript Verlag 2017): 79-108.

  • Disaster as Image. Iconographies and Media Strategies across Europe and Asia (Regensburg: Schnell und Steiner 2014), Hg. mit Gerrit Jasper Schenk.

  • Kulturerbe Denkmalpflege transkulturell: Grenzgänge zwischen Theorie und Praxis (Bielefeld: Transcript Verlag 2013), Hg. mit Michael Falser

  • Die Neuzeit 1789-191 (Konstanz: UVK 2013), zusammen mit Roland Wenzlhümer.

  • Peindre le paysan. L’image rurale dans l’art français de Millet à Van Gogh (Paris: Editions du Makar 1998).