Magnifizenz Steinbeck, Spektabilität Landwehr, sehr geehrte Damen und Herren - und vor allem: lieber Herr Münch,

ich bin dankbar für die Ehre, hier und heute Herrn Prof. Dr. Richard Münch zur Verleihung des Meyer-Struckmann-Preises gratulieren zu dürfen – dies insbesondere deswegen, weil mit dieser Verleihung ein international renommierter Soziologe geehrt wird, der der diesjährigen Ausschreibung des Preises für herausragende Arbeiten im Themenfeld Gesellschaftlicher Zusammenhalt im Fachbereich Soziologie wie nur wenig andere gerecht wird.

Dass das Thema ausgesprochen aktuell ist, das muss nicht noch einmal besonders betont werden: allein ein Blick in die Zeitung reicht schon, um die Frage nach dem, was Gesellschaften angesichts der vielen aktuellen Krisen noch zusammenhalten könnte, akut werden zu lassen: Der Krieg in der Ukraine, die zunehmende Stärke Chinas als ›global player‹, das wachsende Selbstbewusstsein ehemaliger Kolonialstaaten scheinen die etablierte globale Ordnung ins Wanken zu bringen, ohne dass sich neue Ordnungen abzeichneten; Pandemien sind nicht nur Drohung, sondern Realität und der Klimawandel verändert Topografien nachhaltig. Damit verbunden sind Kämpfe um Ressourcen und Deutungshoheiten, die Gesellschaften vor massive Herausforderungen stellen. Auch die Profession selbst ist sich der aktuellen Gefährdungslagen bewusst und ließ den diesjährigen Kongress der Deutschen Gesellschaft für Soziologie unter dem Titel Polarisierte Welten stattfinden.

Dass die Frage nach dem gesellschaftlichen Zusammenhalt das Fach seit seinem Beginn begleitet, lässt erahnen, in welch turbulenten Zeiten gesellschaftlichen Aufbruchs die Soziologie entstand und was die reiche theoretische und empirische Basis zur Erfassung aktueller Zeitläufte beitragen kann. Denn dies gehört zu den wichtigen Leistungen von Richard Münch, der in seinen Analysen immer wieder den Bogen schlägt von den Anfängen des Faches hin zu Aktuellem.

Und damit bin ich auch schon mittendrin in der Laudatio.

Prof. Dr. Richard Münch ist ein Soziologe, dessen Forschungen zu Ursachen, Formen und Folgen von Globalisierung, der Ausdehnung und Beschleunigung von Kommunikation und damit eng verbunden: zum Strukturwandel von Identitäten, Solidaritäten und Integrationen viel beachtet und bahnbrechend sind. Insbesondere Identitäten, Solidaritäten und Integration wurden von Richard Münch als Themenfelder etabliert und analysiert, lange bevor sie es in die TOP-10 der soziologischen Themen geschafft haben, die sich nicht nur eines großen studentischen Interesses, sondern auch großer politischer Beachtung erfreuen.

Die Arbeiten von Richard Münch haben die Soziologie national und international befruchtet und den soziologischen Blick auf Europäisierung und Globalisierung als Inklusions- und Exklusionskontext in wichtigen Aspekten über alle theoretischen und empirischen Grenzziehungen innerhalb des Fachs hinweg geprägt. So global wie der von Richard Münch untersuchte Phänomenbereich ist auch die Bandbreite der von ihm verwendeten und weitergedachten Theorien, mit denen er gesellschaftliche Phänomene

untersucht: So ergeben sich für ihn aus der Kombination von präferierter Untersuchungsebene und konkretem Untersuchungsgegenstand vier zentrale Perspektiven auf gesellschaftlichen Zusammenhalt: die »von unten« (in Form rationaler Entscheidungen), die »von oben« (in Form funktionaler Erfordernisse), die »von außen« (als symbolische Ordnung) und die »von innen« (als normative Interaktion). Hierüber lassen sich, wie Richard Münch umfassend zeigt, jenseits theoretischer Paradigmen und ganz untersuchungspraktisch lokale wie globale Ordnung, Markt wie Moral aufschlüsseln.

Die Forschungsergebnisse aus den verschiedenen Untersuchungsgebieten, denen sich Richard Münch gewidmet hat, sind über das Fach hinaus sichtbar und einflussreich, nicht zuletzt deshalb, weil es Richard Münch gelungen ist, eine befruchtende Zusammenarbeit mit dem renommierten Suhrkamp-Verlag zu etablieren.

Richard Münch ist jedoch kein Wissenschaftler, der sich nur für aktuelle gesellschaftliche Themen aus breiter theoretischer Perspektive interessiert, er hat auch die Institutionen des Fachs immer konstruktiv-kritisch beobachtet und aktiv mitgestaltet. Sowohl das soziologische Nachdenken über die eigenen Forschungsbedingungen als auch die praktische Selbstverwaltung des Faches in Form von Gremienarbeit gehörten und gehören für Richard Münch zu den selbstverständlichen Betätigungsfeldern von Soziolog:innen.

Für alle, die mit dem beeindruckenden Lebenslauf des diesjährigen Preisträgers nicht vertraut sind, hier ein geboten kurzer Überblick (auch, wenn wir uns noch nicht näher begegnet sind, so kann ich doch immerhin von mir behaupten, mit einiger zeitlicher Verzögerung an einige Wirkungsstätten nachgefolgt zu sein):

Richard Münch ist Jahrgang 1945. Er studierte von 1965 bis 1970 Soziologie, Philosophie und Psychologie an der Universität Heidelberg und schloss das Studium dort 1969 mit dem Magister Artium ab. Im Jahr 1971 erwarb er den Grad des Dr. phil.; die Habilitation im Fach Soziologie erfolgte 1972 an der Universität Augsburg. Dort arbeitete er von 1970 bis 1974 als wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für Soziologie und Kommunikationswissenschaft. Von 1974 bis 1976 lehrte er als Professor für Soziologie an der Universität zu Köln, daran anschließend bis 1995 an der Universität Düsseldorf, von 1995 bis 2013 an der Universität Bamberg, wo er 2013 zum Emeritus of Excellence ernannt wurde. Seit 2015 ist er Seniorprofessor für Gesellschaftstheorie und komparative Makrosoziologie an der Zeppelin Universität. Vielen der Anwesenden ist Richard Münch sicher nicht nur als Kollege, sondern auch als Dekan der Philosophischen Fakultät von 1985 bis 1987 noch in guter Erinnerung.

Richard Münch war mehrfach als Gastprofessor an der University of California in Los Angeles tätig. Sein Engagement für das Fach der Soziologie umfasst u. a. auch die Herausgeberschaft renommierter Fachzeitschriften, wie dem American Journal of Sociology, der Annual Review of Social Theory, der Zeitschrift für Soziologie und der Soziologischen Revue. Von 2002 bis 2012 war er Sprecher des von der DFG geförderten interdisziplinären Graduiertenkollegs »Märkte und Sozialräume in Europa« an der Universität Bamberg. Er war Mitglied und Vorsitzender des Fachbeirats am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung in Köln und ist Mitglied der Berlin-Brandenburgischen

Akademie der Wissenschaften. Im Jahre 2018 erhielt er von der Deutschen Gesellschaft für Soziologie den Preis für ein hervorragendes Lebenswerk.

Aufbauend auf seinen Arbeiten zur Gesellschaftstheorie war der gesellschaftliche Zusammenhalt, dessen Bedingungen und Herausforderungen immer wichtigen Thema seiner Forschung. Dies spiegelt sich u. a. in Monografien mit Titeln wie Die Struktur der Moderne (Suhrkamp, 1984); Modernity (Rowman & Littlefield, 2001), Das Projekt Europa (Suhrkamp, 1993), Globale Dynamik, lokale Lebenswelten (Suhrkamp, 1998), Nation and Citizenship in the Global Age (Palgrave Macmillan, 2001), Das Regime des liberalen Kapitalismus (Campus, 2009), Das Regime des Pluralismus (Campus, 2010), Inclusion and Exclusion in the Liberal Competition State (Routledge, 2012) oder The Global Division of Labour (Palgrave Macmillan, 2016). Aktuell befasst sich Richard Münch verstärkt mit der Komposition und gesellschaftlichen Rolle von Wissenschaft (u. a. in Die akademische Elite (Suhrkamp, 2007) oder Academic Capitalism (Routledge, 2014)).

Was man an diesen Titeln nicht erkennen kann, ist die sich dahinter verbergende analytische Schärfe und stringente Argumentation, in der die Gesellschaftsanalysen vorgelegt werden. Sie haben immer einen Bezug zu konkreten empirischen Phänomenen, sind nie Selbstzweck und verfallen nie in kurzlebige Zeitdiagnostik.

Nicht zuletzt deshalb sind Sie, Herr Prof. Dr. Münch, auch ein rundum würdiger Träger es diesjährigen Meyer-Struckmann-Preises und ich wünsche Ihnen und uns, dass Sie die Frage nach dem gesellschaftlichen Zusammenhalt noch mit vielen instruktiven, produktiven und provokativen Gesellschaftsanalysen adressieren werden.

Herzlichen Glückwunsch und vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.