Sehr geehrte Damen und Herren,

im Namen des Rektorats der Heinrich-Heine-Universität und ausdrücklich im Namen der Rektorin, Frau Professorin Anja Steinbeck, begrüße ich Sie ganz herzlich zur Verleihung des Wissenschaftspreises der Meyer-Struckmann-Stiftung hier im Haus der Universität. Ein besonderer Gruß und ein herzliches Willkommen gilt dem Preisträger, Herrn Professor Michael Stolleis.

Der Preis der Meyer-Struckmann-Stiftung war diesmal für das Themenfeld „Geistes- und sozialwissenschaftliche Europaforschung“ ausgeschrieben worden. Wie bei kaum einem anderen Thema dürfte hierbei unstrittig sein, dass zu seiner Bearbeitung nicht nur eine wissenschaftliche Disziplin alleine gefragt sein kann. Es gibt nicht nur „die“ geistes- oder „die“ sozialwissenschaftliche Europaforschung, sondern auch rechtswissenschaftliche, wirtschaftswissenschaftliche und viele andere Perspektiven, die man bei der Beschäftigung mit Europa und der europäischen Integration einnehmen kann und sollte.

Dass gerade in diesen Zeiten Europa wieder und immer mehr ein Thema der Wissenschaft sein muss, dürfte dabei außer Frage stehen. Die Europäische Union steht – nicht zum ersten Mal in ihrer wechselhaften Geschichte – vor einschneidenden Entwicklungen, wenn wir beispielsweise auf den „Brexit“ oder die Wahl der neuen EU-Kommission durch das Europäische Parlament blicken. Genauso beschäftigen und irritieren uns kritische Entwicklungen in der rechtstaatlichen Substanz einer Reihe von europäischen Staaten. Die europäische Idee erscheint in diesen Zeiten fragil und europäische Kooperation wie auch Verständigung sind notwendiger denn je. Deswegen ist es übrigens auch besonders passend, dass wir heute Abend Gäste aus unserem geschätzten Partnerland Frankreich, genauer aus einer wahrlich europäischen Stadt, begrüßen dürfen, nämlich Kolleginnen und Kollegen von der Université de Strasbourg.

Für die Heinrich-Heine-Universität spielen Europa und die europäische Kooperation eine große Rolle sowohl in der Forschung als auch in der Lehre. Exemplarisch sei auf den mittlerweile seit zehn Jahren existierenden fakultätsübergreifenden Masterstudiengang „European Studies“ verwiesen, zu dem israelische, palästinensische und jordanische Studierende für ein Jahr an unsere Universität kommen, um sich in gemeinsamen Veranstaltungen mit der europäischen Integration zu beschäftigen – und einander dabei nebenbei (oder vielleicht sogar hauptsächlich) besser kennen und verstehen zu lernen. Als Dozent der Politikwissenschaft hatte ich bereits mehrere Male die Freude, ein Seminar zur Demokratie in der Europäischen Union im Rahmen dieses ganz besonderen Studiengangs durchführen zu dürfen. Es ist äußerst anregend und erhellend, im Austausch mit den Studierenden aus dem Nahen Osten zu erfahren, wie Europa aus einer externen Perspektive wahrgenommen wird. Viele unserer Probleme relativieren sich schnell, wenn man aus einer konfliktgeschüttelten Region heraus auf das europäische Projekt blickt. Andere Probleme werden dabei erst wirklich deutlich.

Nicht nur, aber in besonderem Maße in der Europaforschung benötigen wir Perspektiven, die über die Grenzen gehen. Insofern freut mich besonders, dass der Meyer-Struckmann-Preis für Europaforschung an jemanden geht, der schon lange und sehr erfolgreich grenzüberschreitend und multiperspektivisch arbeitet. Wir ehren heute eine außerordentliche Forschungspersönlichkeit. Das lässt sich bei Professor Stolleis sehr gut anhand meiner zwei Rektoratsressorts festmachen: Internationalisierung und Wissenschaftskommunikation. In beiden Bereichen, im internationalen Austausch und in der Kommunikation der Wissenschaft mit der Gesellschaft, hat sich Professor Stolleis im Rahmen seiner bisherigen Tätigkeiten außerordentlich profiliert.

Professor Stolleis hat 18 Jahre lang als Direktor das international renommierte Max-Planck-Institut für Europäische Rechtsgeschichte in Frankfurt am Main geleitet und geprägt und damit Recht in seiner europäisch-vergleichenden Dimension zu seinem Thema gemacht. In dieser Zeit veröffentlichte er zahlreiche Bücher und Aufsätze in vielen europäischen Sprachen. Sein internationales und interdisziplinär geprägtes Engagement hat ihm europaweit Anerkennung eingebracht, die ihren Ausdruck unter anderem in den Ehrendoktoraten der Universitäten Lund, Toulouse, Padua und Helsinki findet.

Darüber hinaus ist Professor Stolleis auch im Feld der Wissenschaftskommunikation hochaktiv. So hat er sich in seiner Forschung intensiv mit der Vermittlung von Wissen und wissenschaftlichen Erkenntnissen auseinandergesetzt und allein während seiner Zeit am Max-Planck-Institut zwei DFG-Projekte zur Wissenskommunikation in der Rechtswissenschaft geleitet. Professor Stolleis kommuniziert zudem in die Öffentlichkeit und in die Politik hinein – auch zu aktuellen Fragen: Jüngst hat er zusammen mit 100 weiteren Staatsrechtlern/innen einen Aufruf an den Deutschen Bundestag verfasst, das Bundeswahlgesetz zu reformieren und somit die Anzahl der Mandate zu verringern.

Exzellente und engagierte Forschende wie Professor Stolleis sind nicht nur für die Wissenschaft, sondern auch für die Gesellschaft und den politischen Diskurs von enormer Bedeutung. Es braucht insbesondere in Zeiten, in denen gewisse gesellschaftliche Strömungen unsere demokratischen Grundwerte, die europäische Gemeinschaft und den Wert wissenschaftlicher Erkenntnisse in Frage stellen, Forschende, die in den Dialog treten mit anderen Disziplinen, aber auch mit der Öffentlichkeit, Forschende, die sich einmischen und aus dem Elfenbeinturm heraustreten.

Ich freue mich daher sehr, dass wir dank der Initiative und des großzügigen Engagements der Meyer-Struckmann-Stiftung heute bereits zum 13. Mal eine herausragende Forschungspersönlichkeit wie Professor Stolleis für ihre Leistungen auszeichnen und würdigen können. Im Namen der Universität bedanke ich mich noch einmal ganz herzlich bei der Meyer-Struckmann-Stiftung für die Auslobung des Preises!

Ihnen, sehr geehrter Herr Professor Stolleis: Herzlichen Glückwunsch zu dieser Auszeichnung!

Prof. Dr. Stefan Marschall

Prof. Dr. Stefan Marschall ist seit März 2019 Prorektor für Internationales und Wissenschaftskommunikation an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU). Seit 2010 leitet er den Lehrstuhl Politikwissenschaft II mit dem Schwerpunkt "Politisches System Deutschlands" am Institut für Sozialwissenschaften der HHU. Nach der Promotion 1998 habilitiert er sich 2004 an der HHU. Anschließend vertrat er Professuren an der Justus-Liebig-Universität Gießen und der Universität Duisburg-Essen. 2008 folgte Stefan Marschall einem Ruf auf eine Professur für Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt „Analyse und Vergleich politischer Systeme/Politische Theorie“ an der Universität Siegen. 2010 wurde er auf den Lehrstuhl Politikwissenschaft II der Philosophischen Fakultät der HHU berufen. In seiner Forschung beschäftigt er sich unter anderem mit dem Wandel von Demokratie, politischer Beteiligung und Öffentlichkeit in Folge von Digitalisierungsprozessen.