Sehr geehrte Damen und Herren,

im Namen der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf begrüße ich Sie herzlich zur Verleihung des Meyer-Struckmann-Preises 2014. Zum neunten Mal hat die Philosophische Fakultät der Heinrich-Heine-Universität die Ehre, den Wissenschaftspreis der Meyer-Struckmann-Stiftung an eine herausragende Wissenschaftlerpersönlichkeit zu verleihen.

Zunächst möchte ich Sie, Herr Professor Schnapp, ganz herzlich willkommen heißen und Sie zu dieser herausragenden Auszeichnung für Ihr wissenschaftliches Gesamtwerk beglückwünschen.

Des Weiteren begrüße ich den Vorsitzenden der Meyer-StruckmannStiftung, Herrn Professor Kaiser, und die Mitglieder des Vorstands, Herrn Professor Schlink und Herrn Dr. Rometsch. Außerdem begrüße ich die Vorsitzende des Hochschulrates, Frau Paulsen, die Prorektorin für Internationales, Frau Kollegin von Hülsen-Esch, den Senatspräsidenten, Herrn Kollegen Baurmann, den Präsidenten der Gesellschaft von Freunden und Förderern der Heinrich-Heine-Universität, Herrn Dörrenberg, den Dekan der Philosophischen Fakultät, Herrn Kollegen Bleckmann, und natürlich alle anwesenden Kolleginnen und Kollegen.

Sehr geehrte Gäste,
der Mensch ist doch ein seltsames Lebewesen. Da durchpflügt er das Erdreich nach jahrtausendealten Messerschneiden und Pfeilspitzen seiner Vorfahren. Er legt mit Zahnbürsten Gebrauchsgegenstände aus der Antike frei. Er entziffert Hieroglyphen und buddelt mumifizierte Leichen aus Grabstätten aus. Nach der Ausgrabung geben ihm die Relikte aus der Vergangenheit Rätsel auf: Wie haben die Menschen früherer Kulturen gelebt, was hat sie beschäftigt, an welche Götter haben sie geglaubt und woran sind sie gestorben?

Mit diesen existenziellen Fragen beschäftigt sich die Archäologie als „Lehre vom Anfang“ – wenngleich auch in viel komplexerer Form, als es meine populären Assoziationen nahelegen. Der Begriff Archäologie stammt vom griechischen „archaios“ und „lógos“ ab. Wortwörtlich bedeutet Archäologie demnach „Erzählungen aus der alten Geschichte“ oder „Kunde vom Altertum“, verrät das etymologische Wörterbuch. Somit wendet sich die Archäologie im Allgemeinen der historischen Vorzeit und damit unseren Wurzeln zu. Die „Klassische Archäologie“ im Besonderen erforscht die materiellen Hinterlassenschaften der antiken Kulturen des Mittelmeerraumes.

Aber ist der archäologische Blick, der sich auf das Untergegangene, Verschüttete, Begrabene richtet, auch für uns Diesseitige von allgemeinem Interesse? Der antike griechische Geschichtsschreiber Polybios meint dazu: „Nichts ist geeigneter, uns den rechten Weg zu weisen, als die Kenntnis der Vergangenheit.“

Der archäologische Blick in die Vergangenheit ermöglicht uns nicht nur, das Gewesene zu erklären und einzuordnen, die antike Welt zu rekonstruieren und längst vergangene Kulturen der Menschheit zu deuten. Vielmehr legt der archäologische Blick den Grundstein für die kritische Betrachtung und Einordnung des Gegenwärtigen und des Kommenden. Professor Dr. Schnapp beschäftigt sich in seinem wissenschaftlichen Œuvre mit dieser jahrtausendealten Suche des Menschen nach seiner Vergangenheit.

Die Beschäftigung mit den tiefen, teilweise im Erdreich verborgenen Schichten unserer Kulturen ist eine anthropologische Besonderheit. Und damit befinden wir uns schon inmitten einer der zentralen Thesen des Preisträgers. Für Professor Dr. Schnapp ist die Auseinandersetzung mit den Relikten der Vergangenheit ein wesentliches Merkmal menschlichen Denkens. Ich erlaube mir, Sie zu zitieren, Herr Professor Schnapp: Sie entwickelten die spannenden Thesen, dass Erinnerung den Boden brauche, „[u]m sich durchzusetzen und zu überdauern“, dass selbst schriftlich oder mündlich überlieferte Gründungslegenden „doch immer im Boden verankert sein und sich auf eine im Boden versiegelte Realität stützen“[1] müssten. Wie dieses Verhältnis zum Boden jeweils beschaffen ist, sage daher viel über eine jeweilige Kultur aus. Die Archäologie fungiert als „Spiegel historischen Bewußtseins“[2]. Damit ist die Archäologie eine Paradedisziplin der Geisteswissenschaften, die auf der Eigenart des Menschen gründet, sich unentwegt selbst zu reflektieren.

Die Philosophische Fakultät und die Meyer-Struckmann-Stiftung zeichnen mit Professor Dr. Schnapp einen Wissenschaftler aus, der für seine herausragenden Forschungen im Gebiet der Klassischen Archäologie bekannt ist. Seit vielen Jahren verbinde er Grundlagenforschung in Form von Grabungen mit der wissenschaftlichen Recherche und leiste eine angesehene schriftstellerische Arbeit, lautet das Urteil der Jury. Seine Bücher zur Geschichte der Archäologie wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt. Professor Dr. Schnapps wissenschaftliches Werk umfasst unter anderem die Ikonographie der griechischen Antike, die Bildwissenschaften, die archäologische Stadtraumforschung und die Stadtgeschichte im antiken Griechenland.

Zu seinen viel beachteten Veröffentlichungen gehört vor allem seine Monografie „Die Entdeckung der Vergangenheit. Ursprünge und Abenteuer der Archäologie“. Sie gilt als Standardwerk europäischer Ideen- und Wissenschaftsgeschichte. Die Jury kam zu dem Ergebnis, dass Professor Dr. Schnapp mit seinem wissenschaftlichen Werk maßgeblich dazu beigetragen habe, eine Geschichte der Archäologie in den Zivilisationen der Menschheit zu begründen.

Die Würdigung Ihrer Leistung, Herr Professor Schnapp, ist auch eine Würdigung der hohen gesellschaftlichen Bedeutung der Archäologie im Besonderen sowie der Geisteswissenschaften im Allgemeinen. Und das in einer Zeit, in der die Rede von der Krise der Geisteswissenschaften fast schon ein Allgemeinplatz ist. Wir erleben, wie Kulturpolitiker und Öffentlichkeit die Daseinsberechtigung einzelner geisteswissenschaftlicher Disziplinen in Frage stellen – und zwar vor dem Hintergrund der stetig wachsenden Ökonomisierung unseres Wissenschaftssystems und der ansteigenden Bedeutung von Drittmitteleinwerbungen. Denn im Gegensatz zu etwa den Ingenieurwissenschaften ist es schwer, einen quantifizierbar-objektiven Bedarf für die Geisteswissenschaften nachzuweisen. Trotz allem können sie sich weiterhin behaupten, denn sie liefern komplexe Erklärungsmuster sowohl für sozio-kulturelle vergangene als auch zukünftige Phänomene und Herausforderungen. Diese Besonderheit würdigt der Meyer-Struckmann-Preis, indem er exzellente Forschung in den Geisteswissenschaften auszeichnet. Der Meyer-Struckmann-Stiftung sind wir für ihre hochdotierte Verleihung und für ihr großes Engagement zu tiefstem Dank verpflichtet. Zudem möchte ich mich im Namen der Heinrich-Heine-Universität für das Vertrauen der Stiftung in unsere Philosophische Fakultät bedanken, die die Auswahl und Auszeichnung herausragender Wissenschaftlerpersönlichkeiten vornehmen darf.

Sehr geehrter Herr Professor Schnapp,
mit der Vergabe des Meyer-Struckmann-Preises für Ihre herausragenden Leistungen im Gebiet der Klassischen Archäologie zeigt Ihnen unsere Philosophische Fakultät die höchste Anerkennung. Dazu gratuliere ich Ihnen noch einmal herzlichst. Ich wünsche Ihnen weitere spannende Forschungseinblicke in die Vergangenheit sowie für die Zukunft alles Gute und viel Erfolg. Und für die Gegenwart wünsche ich Ihnen und allen Gästen einen schönen Abend in feierlicher Atmosphäre.

Prof. Dr. Anja Steinbeck

Leitete den Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Handels- und Gesellschaftsrecht und Gewerblichen Rechtsschutz und das Institut für Gewerblichen Rechts- schutz und Urheberrecht an der Universität zu Köln.Von 2004 bis 2014 Richterin im Nebenamt am Oberlandesgericht Köln. Von 2011 bis 2014 Prorektorin für Planung, Finanzen und Gender an der Universität zu Köln. Seit November 2014 Rektorin der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.

  • [1]

    Alain Schnapp: Die Entdeckung der Vergangenheit. Ursprünge und Abenteuer der Archäologie. Stuttgart: Klett-Cotta 2009, S. 31

  • [2]

    Die Formulierung stammt aus: Dietrich Hakelberg/Ingo Wiwjorra (Hrsg.): Vorwelten und Vorzeiten. Archäologie als Spiegel historischen Bewußtseins in der Frühen Neuzeit. Wiesbaden: Harrassowitz 2010.