Meine sehr verehrten Damen und Herren,

ich darf Sie im Namen der Dr. Meyer-Struckmann-Stiftung begrüßen und freue mich über das große Interesse.

Zu meinen Aufgaben gehört es, dafür zu sorgen, dass die öffentliche Erinnerung an den Stifter nicht verloren geht. Die Erinnerung also an Fritz Meyer-Struckmann, 1908 in Berlin geboren, aber schließlich durch und durch ein rheinischer Bankier, der nach juristischem und militärischem Werdegang zu einer sichtbaren Gestalt in der rheinischen Republik wurde. Seine Verbindungen reichen von Hermann Josef Abs über Konrad Adenauer, Ludwig Erhard bis zu Johannes Rau, dem er eng verbunden war. Im Essener Bankhaus Burkhardt schafft er es an die Spitze und vollzieht im Jahr 1974 die Fusion mit dem Düsseldorfer Bankhaus Trinkaus. Er ist ein bedeutender Kunstsammler der klassischen Moderne. Seine Sammlung ist sichtbarer Teil des Folkwang-Museums.

Nach seinem Tod im Jahr 1984 geht sein gesamtes Vermögen, damals rund 30 Millionen DM, in die zuvor errichtete Stiftung.

Das wirklich Singuläre freilich ist, dass dieser Mann der Finanzen, der Wirtschaft und der Politik bestimmt, dass die Erträge seiner Stiftung vorwiegend in die Geistes- und Kulturwissenschaften fließen sollen. Das allererst hat ihm wirklich eine gewisse Unsterblichkeit verliehen.

Die Stiftung, der ich seit fünf Jahren vorsitzen darf, hat zusammen mit unserer Philosophischen Fakultät den Meyer-Struckmann-Preis für Kultur- und Sozialwissenschaften errichtet. Er ist mit 20.000 Euro dotiert und wird heute zum fünften Mal verliehen.

Das mag man ein kleines Jubiläum nennen, aber das wirklich Bemerkenswerte ist, dass mit Herrn Kollegen Bredekamp heute zum dritten Mal ein Professor der Humboldt-Universität Berlin ausgezeichnet wird.

Das wird der geisteswissenschaftlichen Community Anlass zum Nachdenken sein. Freilich: Es bestätigt ganz einfach, dass sich an der Humboldt-Universität herausragende wissenschaftliche Persönlichkeiten versammelt haben. Die Kenner wissen das auch ohne Meyer-Struckmann-Preis.

Und doch ist daran etwas zusätzlich interessant und verdient, festgehalten zu werden: Da sind an der Humboldt-Universität in Berlin viele unbestrittene Spitzengelehrte zu finden, aber der Freien Universität in Berlin wird vom Wissenschaftsrat das Prädikat «Exzellenzuniversität» zugesprochen, und die Humboldt-Universität geht leer aus.

Das ist mehr als eine ärgerliche Anekdote. Denn es zeigt, dass eine aus den Naturwissenschaften herkommende Form der Forschung zur herrschenden geworden ist: nämlich die Forschung im Kollektiv. Die Gremien, die die Forschungsmittel vergeben, sind auf die Gruppe fixiert, prämieren das Team und behaupten, nur so entstehe wissenschaftlicher Fortschritt. Und deshalb sind nicht herausragende Gelehrte und ihre Werke die Messlatte, sondern die in Programmen organisierten Teams. Das ist inzwischen herrschende Meinung.

Immerhin gibt es einige erste Stimmen von Gewicht, die darin eine bedenkliche Entwicklung sehen. Der angesehene Sozialwissenschaftler Horst Kern, sechs Jahre lang Präsident der Universität Göttingen, fasst seine Untersuchungen zum Wissenschaftsbetrieb so zusammen: «Seit den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts ist in vielen Wissenschaftssystemen die Zahl der großen wissenschaftlichen Durchbrüche pro Zeiteinheit nur noch bescheiden.» Und Wolfgang Frühwald, ehemaliger Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft, kommentiert: «Die Quantität des Wissens wird zwar immer größer, die Innovationsrate aber sinkt.»

Frühwald glaubt auch, eine internationale Tendenz der Wissenschaftsförderung zu erkennen, die der Prämierung der Programm- und Gruppenforschung entgegensteht: Er nennt diese Tendenz «Personenförderung statt Programmförderung». Einige Großstiftungen stellten, so sagt er, ihre Konzepte darauf um.

Wir wollen hoffen, dass das wirklich eine Richtungsänderung ist und dass die Förderung und Auszeichnung der herausragenden wissenschaftlichen Persönlichkeit wieder an Wert gewinnt. Die Dr. Meyer-Struckmann-Stiftung macht das immer schon so.

Und ganz besonders heute. Herzlichen Glückwunsch, Horst Bredekamp.

Prof. Dr. Dres. h.c. Gert Kaiser (geb. 1941

Lehrte an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Ältere Germanistik. Von 1983–2003 Rektor der Universität. Von 1985–2007 Präsident des Wissenschaftszentrums Nordrhein-Westfalen.

Arbeitsschwerpunkte: Mittelalterliche Literatur, Wissenschaft und Kultur der Gegenwart.