Sehr geehrte Damen und Herren,
im Namen der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf begrüße ich Sie herzlich zur Verleihung des Meyer-Struckmann-Preises 2015. Die Philosophische Fakultät der Heinrich-Heine-Universität hat heute die Ehre, den Wissenschaftspreis der Meyer-Struckmann-Stiftung an eine exzellente Wissenschaftlerpersönlichkeit zu verleihen.

Zunächst möchte ich Sie, Herr Professor Schulz, ganz herzlich hier im Haus der Universität willkommen heißen und Sie zu dieser herausragenden Auszeichnung beglückwünschen. Natürlich geht auch ein herzliches Willkommen an Ihre Gattin Frau Schulz-Sajo.

Ich freue mich, dass heute der Honorarkonsul des Königreichs Jordanien, Herr Gielisch, und der Bürgermeister Herr Conzen als Gäste anwesend sind. Des Weiteren begrüße ich den Präsidenten der Meyer-Struckmann-Stiftung, Herrn Professor Kaiser, und die Mitglieder des Vorstands, Herrn Professor Schlink und Herrn Dr. Rometsch. Außerdem heiße ich herzlich willkommen die Ehrensenatorin Frau Dr. Betz, die Hochschulratsvorsitzende Frau Paulsen, den Präsidenten der Gesellschaft von Freunden und Förderern der Heinrich-Heine-Universität, Herrn Dörrenberg, den Vorsitzenden des Senats, Herrn Professor Baurmann, meine Kollegen aus dem Rektorat, den Rektoratsbeauftragten für das Jubiläumsjahr, Herrn Professor von Alemann, den Dekan der Philosophischen Fakultät, Herrn Professor Rosar, und den Dekan der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät, Herrn Professor Haucap, den Prorektor von der Robert-Schumann-Hochschule, Herrn Professor Kalisch, und natürlich alle anwesenden Kolleginnen und Kollegen.

Bankenkrise, Stuttgart 21, Arabischer Frühling, Euro-Rettungsschirm und griechischer Staatsbankrott, die Gezi Park-Proteste in der Türkei und der Krieg in der Ukraine ... Das alles waren Themen, die in den Medien lange und ausführlich diskutiert wurden – bis die Flüchtlingssituation zum alles bestimmenden Gegenstand wurde. Seitdem die Flüchtlingsfrage in den Medien dominiert, ist von der Griechenlandkrise kaum noch die Rede. Hinzu kommt eine weitere bedenkliche Entwicklung: Seit den Attentaten in Paris und den Terror-Warnungen in Hannover wird in journalistischen Texten das Flüchtlingsthema – nicht selten auch missbräuchlich – mit dem islamistischen Terror in Zusammenhang gebracht.

Massenmedien favorisieren nach ihren ganz eigenen Spielregeln bestimmte Themen. Andere wiederum tauchen überhaupt nicht in Presse, Rund- und Hörfunk auf. Die Folge davon ist, dass wir über Themen, die in den Medien diskutiert werden, eher nachdenken als über jene, die dort nicht erwähnt werden. „Agenda Setting“ nennen die Medienwissenschaftler/innen dieses Phänomen. Oder ganz umgangssprachlich: „Was nicht in der Zeitung steht, ist nicht passiert.“ Was allerdings in der Zeitung steht – was im Radio zu hören, im Fernsehen zu sehen und im Internet zu lesen ist – beeinflusst uns in erheblichem Maße. Allerdings ist es nicht nur so, dass wir über Themen sprechen und nachdenken, die Medien auf ihre Agenda setzen. Die Medien beeinflussen auch die Form und die Inhalte der gesellschaftlichen und politischen Diskurse. Diese mediale Macht ist im Moment so spürbar wie schon lange nicht mehr. So scheint sich die Art und Weise, wie Medien mit dem Thema „Flüchtlinge“ umgehen, auf die Stimmung in der Gesellschaft auszuwirken. In der einen Woche wird von FAZ, Süddeutsche und sogar Bildzeitung die „Willkommenskultur der Deutschen“ bejubelt. In der anderen Woche geraten hoffnungslos überfüllte Aufnahmelager, chaotische Grenzübergänge und Kosten-Nutzen-Kalkulationen in den Fokus der Presse. Stellenweise habe ich den Eindruck, dass die in der Presse formulierte Annahme, „die Stimmung kippe“, letztlich auch dazu führt, dass die Stimmung kippt.

Diese Wirkmechanismen – die mitunter beängstigend sein können – untersuchen Kommunikations- und Medienwissenschaftler/innen. „Massenmedien [. . .] stellen“, so Winfried Schulz, „als Weltbildapparate den Informationsgehalt von Politik her, sie definieren, was ein politisches Ereignis, was ein Thema ist“[1]. Daher „spielen sie eine aktive Rolle bei der Herstellung von Öffentlichkeit und bestimmen deren Struktur und Dynamik nach medialen Aufmerksamkeitsregeln“[2]. Sie erfüllen aber auch „wichtige politische Funktionen“, konstatiert Schulz, etwa bei der „politischen Sozialisation, der politischen Beteiligung, der Definition politischer Probleme“ sowie „der Implementierung politischer Entscheidungen“[3].

Die Wissenschaft beobachtet, analysiert und bewertet das Wechsel- und Spannungsverhältnis von Medien, Gesellschaft und Politik seit den 1970er-Jahren. Eine der zentralen Fragen in diesem Forschungsfeld lautet: „Welchen Einfluss haben Medien auf unser Weltbild?“ Der Preisträger hat mit seinem umfangreichen Werk zur Politischen Kommunikation, Nachrichtenselektion und Medienwirkung maßgeblich und mit internationaler Sichtbarkeit zur Klärung dieser Frage beigetragen. Seine Veröffentlichungen „Die Konstruktion von Realität in den Nachrichtenmedien“ (1976) und „Politische Kommunikation. Theoretische Ansätze und Ergebnisse empirischer Forschung“ (1997) sind international und über die Fachgrenzen hinaus bekannt. Sie gelten als Standardwerke zur politischen Kommunikation.

Sehr geehrter Herr Professor Schulz, die Würdigung Ihrer Leistung ist auch eine Würdigung der hohen gesellschaftlichen Bedeutung der Medien- und Kommunikationswissenschaften im Besonderen sowie der Geistes- und Sozialwissenschaften im Allgemeinen. Bei der gegenwärtigen Verteilung knapper Ressourcen und angesichts der drängenden gesellschaftlichen Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt, wird Wissenschaft immer mehr nach ihrer Anwendbarkeit und ihrem wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Nutzen beurteilt. Dabei geraten die Geistes- und Sozialwissenschaften schnell ins Hintertreffen. Oftmals wird ihnen ihr „merkantiler Marktwert“ abgesprochen. Daher sind überregional sichtbare Auszeichnungen wie der Meyer-Struckmann-Preis wichtig, um die Besonderheit und die Bedeutung der Geistes- und Sozialwissenschaften zu würdigen. Abgesehen von der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit unserem kulturellen Erbe kommt ihnen eine entscheidende Rolle auch für die Diskussion drängender Fragen und Probleme in der Gegenwart zu. Selbstverständlich sind Geisteswissenschaftler/innen weder die moralischeren Forscher/innen, noch sind sie kompetenter im Lösen ethischer Fragen als Naturwissenschaftler/innen, Wirtschaftswissenschaftler/innen oder gar Jurist/innen. Vielmehr bedarf es für die Lösung gesellschaftlicher Probleme – wie etwa die Tragfähigkeit des ökonomischen Systems, die Zukunft Europas oder der Umgang mit Epidemien, Naturkatastrophen und der weltweiten Armut – viele kluge Köpfe aus allen Disziplinen. Andere Wissenschaften müssen durch Modelle und Theorien oftmals Komplexität reduzieren. Geistes- und Sozialwissenschaften dagegen bilden mit ihren Instrumenten und Methoden die Komplexität unserer Welt ab. Sie können mehrere Perspektiven gleichzeitig aufzeigen sowie Brüche und Paradoxien aufspüren. Sie entwickeln die notwendigen Kategorien, um den Blickwinkel zu verschieben und um immer wieder die Begrenztheit und Möglichkeiten unserer Handlungspotenziale aufzuzeigen. Sie warnen vor zu einfachen Lösungen und Erklärungsansätzen. Genau diese Stärken würdigt der Meyer-Struckmann-Preis.

Für ihre hochdotierte Verleihung und für ihr großes Engagement sind wir der Meyer-Struckmann-Stiftung zu tiefstem Dank verpflichtet. Ich danke der Stiftung auch für ihr Vertrauen in unsere Philosophische Fakultät, die die Auswahl einer herausragenden Wissenschaftlerpersönlichkeit nun zum zehnten Mal vornehmen durfte.

Sehr geehrter Herr Professor Schulz, mit der Vergabe des Meyer-Struckmann-Preises möchte die Heinrich-Heine-Universität Ihre herausragenden Leistungen auf dem Gebiet der Kommunikationswissenschaften würdigen. Dazu gratuliere ich Ihnen noch einmal herzlichst! Ich wünsche Ihnen für die berufliche wie private Zukunft alles Gute und viel Erfolg.

Prof. Dr. Anja Steinbeck

Leitete den Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Handels- und Gesellschaftsrecht und Gewerblichen Rechtsschutz und das Institut für Gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht an der Universität zu Köln. Von 2004 bis 2014 Richterin im Nebenamt am Oberlandesgericht Köln. Von 2011 bis 2014 Prorektorin für Planung, Finanzen und Gender an der Universität zu Köln. Seit November 2014 Rektorin der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.

  • [1]

    Winfried Schulz: Politische Kommunikation. Theoretische Ansätze und Ergebnisse empirischer Forschung. Verlag für Sozialwissenschaften: Wiesbaden 2008, S. 323.

  • [2]

    Winfried Schulz: Politische Kommunikation. Theoretische Ansätze und Ergebnisse empirischer Forschung. Verlag für Sozialwissenschaften: Wiesbaden 2008, S. 323.

  • [3]

    Winfried Schulz: Politische Kommunikation. Theoretische Ansätze und Ergebnisse empirischer Forschung. Verlag für Sozialwissenschaften: Wiesbaden 2008, S. 323.