Meine sehr verehrten Damen und Herren,

ich darf Sie, an diesem schönen Ort, sehr herzlich begrüßen im Namen der Meyer-Struckmann-Stiftung, darf vor allem unserem diesjährigen Preisträger, Herfried Münkler, einen besonderen Gruß sagen.

Meine Einleitungsworte will ich unserem Stifter, Dr. Fritz Meyer-Struckmann, widmen und will auf diese Weise für eine gewisse Präsenz dieses erstaunlichen Mannes sorgen.

Es ist jetzt fünf Jahre her, dass ich von einer literarischen Zeitschrift um einen Beitrag zum Thema «Abschiede, besonders berufliche Abschiede» gebeten wurde. Es sollte eher im feuilletonistischen Ton gehalten sein, keine eigentlich wissenschaftliche Arbeit, eher eine Art literarische Miniatur.

Natürlich war mir klar, warum man auf mich verfallen war: Ich stand unmittelbar vor meiner Verabschiedung als Rektor der Düsseldorfer Universität, nach immerhin 20 Jahren Amtszeit.

Ich habe mich auch deshalb gern an das Thema herangemacht, weil ich mir eine Art Objektivierung der eigenen Gemütslage davon versprach.

Schon bei meinen ersten Recherchen fiel auf, wie viele prominente Abschiede ernstlich misslangen. Im Vordergrund die zahlreichen verpatzten Abschiede in der Wirtschaft und in der Politik. Die Medien hatten daran ihre helle Freude.

Natürlich sind die misslungenen Abschiede gerade prominenter Wirtschaftsoder Staatenlenker nur ein Bruchteil der gelungenen, aber die mediale Verzerrung, das öffentliche Interesse am Misslingen, produziert eine andere Wahrnehmung.

Vor allem fällt ein wiederkehrendes Muster auf: Da sind Persönlichkeiten, die durchweg eine respektable, oft auch große Lebensleistung vorweisen können. Etwa Wirtschaftsführer, die ganze Unternehmens-Imperien aufgebaut, ihren Aktionären Gewinn und ihren Mitarbeitern Arbeit und Brot verschafft haben.

Und dann, am Ende des beruflichen Lebens, ein einziges Missgeschick, ein unglückliches Ereignis oder ein Fehler, oft ein gravierender Fehler, jedenfalls einer, den die mediale Öffentlichkeit nicht verzeiht. Und das Ansehen dieses Menschen ist so sehr beschädigt, dass es kaum noch Heilung gibt. Denn all die lebenslangen Verdienste und Leistungen werden nicht etwa angerechnet bei der Beurteilung dieses Menschen. Mitnichten. Wenn ich die gerade aktuellen Beispiele Heinrich von Pierer und Wendelin Wiedeking nenne, wird deutlich, was ich meine.

Was bleibt, was in der Erinnerung bleibt, ist der Fehler, das Missgeschick, das Scheitern, der verpatzte Abschied. Das ist offensichtlich nicht gerecht. Aber es ist so.

Sie spüren, meine Damen und Herren, die Absicht, warum ich davon in einer Einleitung zu Fritz Meyer-Struckmann berichte.
Auch bei dieser Persönlichkeit war es im Wesentlichen eine Tat, die die Erinnerung an ihn dominiert. Es war die Errichtung dieser großen Stiftung für die Förderung der Jugendbildung und der Geisteswissenschaften, die sein Bild, seine Erinnerung prägt.

Gewiss, es war kein durchschnittliches Leben, das er führte. Schon deshalb nicht, weil er die großen Brüche der deutschen Geschichte miterlebt hat. Auch deshalb nicht, weil er in finsterer Zeit, als einer von nur wenigen, Mut und Anstand bewies. Aufs Ganze gesehen aber ist er das, was man getrost mit Thomas Mann einen «Repräsentanten des bürgerlichen Zeitalters» nennen darf. Und dazu gehört neben dem wirtschaftlichen Erfolg eine ausgeprägte Neigung zur bildenden Kunst, gehört aber auch die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben bis hin zur Jagd und zum Reitsport.

Aufs Ganze gesehen also ein deutlich herausgehobenes Leben, aber doch wiederum keines, das zu einer herausgehobenen Erinnerung geführt hätte.

Es ist die Stiftung, die das geleistet hat. Er hat verfügt, dass nach seinem Tod sein Vermögen in diese Stiftung einfließt und hat damit bewirkt, dass seither mehr als 15 Millionen Euro für Jugendbildung und Geisteswissenschaften geflossen sind.

Man darf diesen Mann eine Lichtgestalt unter den Bankiers nennen.

Um dieser Erinnerung eine gemäße Form zu geben, haben wir eine Biografie in Auftrag gegeben, die in den nächsten Tagen vorgestellt und erscheinen wird. Ich nutze diese Preisverleihung, um Sie auf dieses Buch aufmerksam zu machen.

Es ist ein erstaunliches, ein packendes Werk geworden. Die drei Autoren, die wir dafür gewinnen konnten, nämlich die Historiker Dr. Michael Kamp, Dr. Anne Dreesbach und Dr. Florian Neumann, haben eine tief recherchierte und zugleich lesbare Biografie vorgelegt. Ein Buch zudem von großer ästhetischer Sorgfalt, ein Buch, mit Sympathie verfasst und mit Liebe hergestellt. Und doch ein Buch, das deshalb besonders einnimmt, weil es in strenger wissenschaftlicher Verantwortung verfasst ist. Weil es nicht beschönigt. Weil es aufrichtig ist und damit Dr. Fritz Meyer-Struckmann die ihm gemäße Ehre antut.

Ich bin froh und dankbar, dass wir unserem Stifter dieses «Erinnerungs-Mal» setzen konnten.

Nun freue ich mich auf die Festrede unseres Kulturdezernenten Herrn Hans-Georg Lohe und die Laudatio durch unseren verehrten Kollegen und Prorektor, Prof. Dr. Ulrich von Alemann. Und den Worten von Prof. Dr. Herfried Münkler sehe ich mit sehr großer Erwartung entgegen.

Prof. Dr. Dres. h.c. Gert Kaiser

Lehrte an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Ältere Germanistik. Von 1983–2003 Rektor der Universität. Von 1985–2007 Präsident des Wissenschaftszentrums Nordrhein- Westfalen.

Arbeitsschwerpunkte: Mittelalterliche Literatur, Wissenschaft und Kultur der Gegenwart.