Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich darf Sie in meiner Rolle als Vorsitzender der Dr. Meyer-Struckmann-Stiftung sehr herzlich hier begrüßen. Ich freue mich außerordentlich, dass ein so hoch angesehenes Publikum die Festversammlung konstituiert und dass wir so viele bedeutende Persönlichkeiten unter uns haben.

Ich kann Ihnen versichern, wenn es nicht gerade regnet, ist Schloß Mickeln ein heiteres Landhaus der Wissenschaft. Und eines, das von der Universität mit Begeisterung und Freude genutzt und angenommen wird.

Die Dr. Meyer-Struckmann-Stiftung, errichtet aus dem Nachlass des Essener und Düsseldorfer Bankiers Dr. Fritz Meyer-Struckmann, gibt es seit etwa dreißig Jahren. Die Stiftung ist nicht sehr bekannt, weil wir uns nicht an dem Wettbewerb um Öffentlichkeit beteiligen. Immerhin ist sie die zweitgrößte Einzelstiftung im Rahmen des Stifterverbandes für die deutsche Wissenschaft.

Der Stifter hat eine sehr bemerkenswerte – und man darf vielleicht auch sagen – eine sehr deutsche Biografie: 1908 in Berlin geboren. Die Familie gehört zum gehobenen Berliner Bürgertum. Er studiert Jura, nach dem juristischen Staatsexamen betritt er 1934 die Welt der Banken. 1941 schließlich seine Einberufung zur Wehrmacht; er erhält während mehrerer Fronteinsätze hohe Tapferkeitsauszeichnungen. Nach dem Krieg wird er persönlicher Mitarbeiter von Hermann Josef Abs, im Jahre 1949 Generalbevollmächtigter des Bankhauses Burkhardt in Essen und nach der Fusion mit der Bank Trinkaus wird er persönlich haftender Gesellschafter.

Schon als Student hat er die Nähe gesucht und gefunden zur Kirche, in der Kriegszeit zur bekennenden Kirche, und gerät in die Nähe von Widerstandskreisen und gehört ihnen vielleicht sogar an – ganz genau weiß man das nicht. Jedenfalls ist es ein offensichtlicher »Ichnicht-Lebenslauf«. Auf dieser evangelischen Grundlage auch entwickelt sich eine enge Freundschaft zu Johannes Rau, der mir viel von Dr. Meyer-Struckmann erzählt hat und der viele Anekdoten über ihn wusste – auch solche, die man sinnvollerweise nicht weitererzählt.

Ich habe das berichtet, weil es überhaupt nicht selbstverständlich ist, wenn solch ein Mann sein Vermögen einbringt in eine Stiftung, die sich die Förderung der Kulturwissenschaften in die Satzung schreibt.

Nicht dass ihm die Kulturwissenschaften ein Instrument zur Beförderung des Guten und Humanen in der Welt gewesen wären. So naiv war er nicht. Vielmehr sah er in ihnen – in den Kulturwissenschaften – eine Art klugen Wahrnehmungsapparat für geistige Tendenzen und Richtungen innerhalb der Gesellschaft. Ganz so, wenn ich es recht sehe, wie auch unser erster Preisträger diese Wissenschaft betreibt. Und wir sind heute weit von dem naiven Glauben entfernt, dass Kulturwissenschaften selber zur Besserung oder Heilung gesellschaftlicher Defizite beitragen könnten. Auch deshalb, Herr Dekan, ist unsere Wahl des ersten Preisträgers so überaus glücklich und richtig.

Ich darf nicht von diesem Pult gehen ohne ein Wort der Rechtfertigung zu sagen für die Wahl, die der Stiftungsvorstand getroffen hat, nämlich die Philosophische Fakultät der Heinrich-Heine-Universität um die dauerhafte Ausrichtung dieses Preises zu bitten. Denn dem ehemaligen Rektor dieser Universität und jetzigen Vorsitzenden der Stiftung wird man leicht ein vetternwirtschaftliches Zuschanzen der doch beträchtlichen Mittel an seine Heimatfakultät unterstellen.

Zu dieser – vielleicht schwebenden Unterstellung – wenigstens so viel: Es galt für den Stiftungsvorstand, eine Universität zu finden, die sich der Mühe und der Ehre unterzieht, aus einer vermutlich sehr großen Zahl von herausragenden Werken zu einem von ihr bestimmten kulturwissenschaftlichen Thema das preiswürdige Werk herauszufinden. Und das waren in diesem Fall 168 Werke, aus denen dann das Werk des Herrn Professor Böhme hervorgegangen ist.

Mir war die Aufgabe zugefallen, ebendiese Universität zu finden, die sich der Mühe, aber eben auch der Ehre, zu dieser Auswahl unterzieht und das erste Gespräch führte ich mit einer großen Berliner Universität – Berlin auch als Referenz an die Geburtsstadt des Stifters.

Man hat mir dort gedankt für die freundliche Offerte, weil auch dort die Geisteswissenschaften nicht verwöhnt sind mit Preisen dieser Art. Aber man hat doch etwas ärgerlich jene Bedingung zurückgewiesen, die wir, die Stiftung, für selbstverständlich hielten: dass nämlich die Mitglieder der ausrichtenden Universität – aus Gründen der Objektivität und künftigen Glaubwürdigkeit des Preises – von der Bewerbung um diesen Preis ausgeschlossen seien. Als man in Berlin sehr deutlich darauf beharrte, dass auch eigene Fakultätsmitglieder für den Preis infrage kommen sollten, habe ich im Einvernehmen mit dem Vorstand die Verhandlungen mit Berlin abgebrochen.

Und wie nicht anders erwartet, hat dann die zweite Universität, mit der ich sprach, nämlich die Philosophische Fakultät der Heinrich-Heine-Universität, dieses Ausschlusskriterium ebenfalls als selbstverständlich angesehen und akzeptiert. Soweit meine Rechtfertigung für Düsseldorf.

Nun aber folgt eine unerwartete ironische Pointe, die zu genießen ich Sie einlade. Denn ich bin ziemlich sicher, hätte die Stiftung den Wunsch der Humboldt-Universität akzeptiert, auch eigene Kollegen auszeichnen zu dürfen, ja dann wäre wohl auch Hartmut Böhme der erste Preisträger geworden, hätte den Preis also von der eigenen Universität bekommen. So bekommt er ihn von der Heinrich-Heine-Universität und wir alle können darin eine Fügung erkennen, dass es offenbar von langer Hand vorbestimmt war, dass der erste Preisträger des Dr. Meyer-Struckmann-Preises für geistes- und sozialwissenschaftliche Forschung unbedingt Hartmut Böhme heißen soll.

Und so wollen wir uns auch dieser Fügung nicht weiter widersetzen, wollen sie vielmehr mit besonderer Gewissheit, das Richtige zu tun, vollziehen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Univ.-Prof. em. Dr. Dr. h.c. Gert Kaiser (geb. 1941)


Lehrte an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf ältere Germanistik. Präsident des Wissenschaftszentrums NRW und Alt-Rektor der HHUD. Vorsitzender der Dr. Meyer-Struckmann-Stiftung.

Wichtigste Arbeitsschwerpunkte: Ältere deutsche Literaturgeschichte, mittelalterliche Totentänze.

Jüngste größere Publikation: Einstein und Europa – Dimensionen moderner Forschung. Düsseldorf 2006 (Hg.).